Presse
Vom Jazz zu Schumann (Rezension zu „Back to Ballads“)
Wolfram Goertz, Rheinische Post, 04.01.2010
„Back to Ballads“ ist als Titel einer Jazz-CD ein Wegweiser, der auch in die falsche Richtung führen könnte. Man könnte darunter einen Ableger jener berüchtigten Kuscheljazz-Produktionen verstehen, der einzig als akustisches Kachelöfchen wirkt.
Das könnte man denken – und ist hier nach den ersten Tönen des Engstfeld/Weiss-Quartetts beruhigt: Es ist nicht etwa Schmusetime nach Noten, sondern eine betörende Besinnungsreise zu alten Balladen der Musikgeschichte, die man der Reihe nach mitsummt, von „I Loves You Porgy“ bis zu „Prelude To A Kiss“. Abermals besticht das Quartett, wenn man so sagen darf, mit gepflegter Gastlichkeit. Als Hörer wird man zuvorkommend behandelt, keinesfalls verschreckt. Das liegt an der Diskretion des Musizierens, an der Schmiegsamkeit des Spiels, an der Natürlichkeit der Phrasierung. Es sollte eben keine „Deconstructing Ballads“-Scheibe werden, sondern eine behutsame Erneuerung: Hört her, was uns diese alten Melodien heute noch zu sagen haben! (Die übrigens gar nicht langsam-betulich daherkommen, man höre nur „Moon And Sand“.)
Vermittelt werden sie zuvörderst von Saxofonist Wolfgang Engstfeld, der seine Improvisationen mit dermaßen wonnigem Ton bläst, als flössen Milch und Honig aus der Kanne. Hendrik Soll setzt fein dosierte, erfinderische, nie plüschige Akkorde und Fill-Ins; Christian Ramond möbliert das Untergeschoss des Klangs mit Witz und rhythmischer Finesse – und Peter Weiss am Schlagzeug ist wieder mal ein vortrefflicher Feuerwehrmann, der auch Brände löscht, die er nicht selbst gelegt hat. Will sagen: Hinter der Fassade der Balladen-Behaglichkeit gibt es auch Launisches zu entdecken, kleine Unruhefeuer im seligen Betriebsfrieden, Augenblicke listiger Glut – doch dann sind sie so schnell wieder vorbei, dass man denkt: War da was?
So ist „Back to Ballads“ (zu kaufen: CD 8001 JSS, Jazz Sick Records, www.jazzsick.com und in der JazzSchmiede) ein neuer Vielseitigkeitsnachweis eines Ensembles, dessen Entdeckungslust in den vergangenen Jahren überaus ausgeprägt war und die vier auch nach Südafrika führte, wo sie als einzige weiße Gruppe unter Polizeischutz spielen mussten. Die Kraft der Musik war aber stärker als jede andere.
Ende Februar geht das Entdecken weiter: Dann spielt das Engstfeld/Weiss-Quartett im Robert-Schumann-Saal seine jazzige Version von Schumanns „Dichterliebe“ – im Dialog mit dem Tenor Wolfgang Klose und der Pianistin Yvonne Gesler. Motto des Abends, das wieder in die falsche Richtung führen könnte: „Original und Fälschung“.
Rezension zu „Back To Ballads“
Angela Ballhorn, Jazzthetik, 12.09/01.10
Ein reines Balladenalbum aufzunehmen, ist mutig: Die Spannung innerhalb von langsamen Stücken aufrechtzuhalten und mit langen Melodiebögen eine Geschichte zu erzählen, ist schließlich wesentlich schwieriger, als in schnellem Tempo Hunderte von Noten zu präsentieren. Noch schwieriger dürfte es sein, ein reines Balladenalbum live aufzunehmen, wie es Hendrik Soll, Christian Ramond, Peter Weiss und Wolfgang Engstfeld in der Jazz Schmiede Düsseldorf gemacht haben. First Takes, elf wunderschöne Balladen.
Dass die Verbindung Wolfgang Engstfeld und Peter Weiss schon seit 30 Jahren besteht, hört man hier deutlich – selten agierte eine Band so homogen und schlafwandlerisch sicher. Übernimmt das Tenorsaxofon von Wolfgang Engstfeld die Führung, folgen Klavier, Bass und Schlagzeug und begleiten dezent, lassen dem Holzblasinstrument den Raum zum Atmen und Phrasieren. Jegliche Klangnuancenänderung ist hörbar, und der Saxofonist versteht es wahrlich, eigentlich „zu oft“ gespielte Stücke wie „You Must Believe In Spring“ von Michel Legrand oder „Moon River“ von Henry Mancini neu zu interpretieren.
Hendrik Soll agiert ebenso geistreich und erfinderisch, als seien die jahrzehntealten Klassiker brandneu und nur für ihn erdacht. Christian Ramond und Peter Weiss unterstützen die beiden Hauptsolisten, weben einen dichten Teppich, auf dem sich Klavier und Saxofon traumwandlerisch bewegen können. Ein Album nicht nur für die blauen Nachtstunden.
„Stille, Wucht“ – Frankfurter Rundschau
„Ein stilles, fast kammermusikalisches Konzert, das immer wieder mit belebteren Passagen und manchmal wilden Ausbrüchen in eine lebendige Gesamtdramturgie gefasst wird, die das Publikum zwei Sets lang zur Konzentration zwingt. Vielleicht liegt in diesem Kontrast das Geheimniss der starken Spannung, die das Quartett – auf Tonträger wie im Konzert – ausstrahlt.“
„Neue Wege“ – Braunschweiger Zeitung
„Die Erwartungen an die hohe musikalische Qualität des Quartetts wurden nicht enttäuscht. Schon nach den ersten Stücken überzeugte diese homogene Band, die an diesem Abend ausschließlich individuell gestaltete Eigenkompositionen spielte, mit rhythmisch und harmonisch klarer und souverän zwingender Musik, aus der die vieljährige Erfahrung der Bandleader strahlte.“
„Upside down“ – Essen Kolibri
„Innerhalb der Stilistik eines modern und offen aufgefassten Hardbob zählen sie zu den kompetentesten Gruppen Europas. Ihre Eigenkompositionen erreichen locker das Niveau ihrer bekannten amerikanischen Kollegen und sind die Ausgangspunkte für ihre reife und eigenständige Musik.“
„Abstrakt und durchsichtig“ – Villinger Anzeiger
„Engstfelds ’wohltemperierter‘ Tenorklang bleibt vertraut, aber in den Soli verkürzt er oft ins Abstrakte, ohne seine emotionale Botschaft zu verlieren, stets gestützt vom antreibenden, kommunikationssuchenden drive des Co-Leaders.“
„Ein Jazz-Quartett wie aus einem Guss“ – Lübecker Nachrichten
„Die vier Musiker demonstrierten mit minimalstem technischen Aufwand (also wirklich unplugged) ein hohes Maß an musikalischer Reife, in dem die Reinheit des originären Klanges dominierte. Bestechend ihre Fähigkeit, weite Melodie- und rhythmische Bögen zu ziehen, und so ein hohes Maß an Spannung zu gewinnen.“
„59:59 Kritik“ – Jazzpodium Stuttgart
„Engstfeld, dieser 1998 mehr den je modernste Mainstream-Tenorsaxophonist, bläst, als wolle er es mit jedem der noch lebenden Jazzgiganten aufnehmen. Seine tonfärberischen Nuancen reichen von beißend bis samtweich, und er verleiht Balladen mit seinem kraftstrotzend-eruptiven Stil eine angenehm unsentimentale Emotionalität. Peter Weiss, dieser Schlagzeugarchitekt par excellence, versteht es mit seiner immensen gestalterischen Kraft, das Ausnahmequartett auf ein federndes, schwereloses Rhythmus-Ploster zu betten.“
„Direct to disk“ – cadence New York
„Das ist selbstbewusster, mächtig swingender Jazz, sozusagen Bop auf den neusten Stand gebracht. Der am deutlichsten wahrnehmbare Einfluss ist die Musik von Sonny Rollins. Alle Mitglieder der Gruppe gehören zu den herausragenden Figuren der Szene. Wolfgang Engstfeld am Tenor gehört zu den Musikern, die die Zügel in der Hand halten. Sein Spiel zeichnet sich durch die komplette Beherrschung seines Instruments und ein hervorragend entwickeltes Gespür für das musikalische Idiom aus. Er treibt wie Oscar Peterson den Beat unwiderstehlich an, während der Ideenreichtum, der sein in sich geschlossenes Spiel auszeichnet, an Rollins erinnert. Peter Weiss’ vitale Schlagzeugarbeit ist für die Seele dieser Musik unabdingbar. Als ungemein aktiver und einfühlsamer Begleiter treibt er in geschmackvoller Weise die Musik voran, akzentuiert, füllt Lücken aus und fügt Klangfarben hinzu.“
„Eins, zwei, Wechselsprung – Engstfeld/Weiss-Quartett im Studio“ – Weserkurier
„Getragene Melodien, meist mittels Unisono-Einsatz von Saxofon und Flügel elegant in die Höhe gestreckt, treiben in weiten Bögen über hoch-energetischen, verästelten Grooves dahin, und verträumte Balladen wie das bluesgetränkte „Bus Stop“, vermitteln das Gefühl kalter Wehmut, bis rasendschnelle Sound-Attacken alle Betrübnis hinfortblasen. Atemberaubend sind die lyrische Grundauffassung der Band und der Schauer an Ideen, der sich auch über die seltenen Fremdkompositionen ergießt: Wie über Vincent Youmans 1924 komponierten und in den 50ern vor allem als Cha-Cha-Cha bekannt gewordenen Musicalhit „Tea for Two“, den das Engstfeld/Weiss-Quartett als nervösen Uptempo-Bop interpretieren. – Eins, zwei Wechselsprung.
„Fabelhaftes Zusammenspiel“
„Sagenhaft ist die Verschmelzung individueller, technischer Fertigkeiten und Freiheiten mit einem Band-Verständnis, das bei aller Stringenz der Titel jedem Ensemblemitglied unmittelbare Reaktionen abverlangt. Das betrifft natürlich vor allem den Tenorsaxofonisten Engstfeld, der zwischen samtweich murmelndem Spiel und aggressiven Tonfärbungen, über ein beeindruckendes Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten verfügt, die nebenbei eine Geschichte der Entwicklung seines Instruments im Jazz erzählen. Mit ungeheurer Leichtigkeit wischt Drummer Weiss den vermeintlichen Widerspruch zwischen den Aufgaben des rhythmischen Fundament-Maurers und der improvisatorischen Freiheit des Jazz-Schlagzeugers vom Tisch. Und Pianist Soll entpuppt sich als Entdeckung des Abends, weil er neben seinen kompositorischen Fähigkeiten und geradezu reflexartigen Reaktionen im Zusammenspiel in seinen Soli mit Ideenreichtum und unbändigem Gestaltungswillen besticht. Man kann es nicht anders sagen: Eine sensationelle Band.“
Kritiken zum Jubiläumskonzert „33 Jahre Engstfeld-Weiss“ in der Tonhalle Düsseldorf:
„Bis der Freund die Mücke totklatschte“ – Rheinische Post
„Gelungene Party eines unzertrennlichen Künstlerpaars“ – Westdeutsche Zeitung
„Wir führen eine ganz normale Ehe“ – Interview in der Rheinischen Post